Die richtige Starthilfe für Jasmin

08.11.2013 CJD Berchtesgaden – Gesundheit – Bildung - Beruf « zur Übersicht

Übergewichtige Jugendliche wie die 17-jährige Jasmin haben ein Problem: Trotz Mittlerer Reife können sie ihren Traumberuf nicht erlernen, weil sie extremes Übergewicht haben. Jasmin hat einen Ausweg gefunden und lernt jetzt Bürokauffrau in einer Einrichtung, die sich um ihre Gesundheit und ihr Übergewicht kümmert.

Jasmin ordnet Fachbegriffe der Bilanzbuchhaltung auf einem Plakat. Zufrieden sitzt sie an ihrem Schreibtisch im medizinisch-beruflichen Rehabilitationszentrum des CJD Berchtesgaden. Seit September macht sie dort eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Der Weg dahin war nicht ganz leicht. „Erst zwei Wochen vor Ausbildungsbeginn habe ich den positiven Bescheid von der Arbeitsagentur bekommen“, die 17-jährige runzelt die Stirn, als sie sich daran erinnert, wie sie in das CJD Berchtesgaden kam. Zwei Wochen waren knapp, denn die 17-jährige musste für ihren Ausbildungsplatz umziehen – aus dem Landkreis Starnberg ins Berchtesgadener Land - nicht ganz leicht für einen Teenager, aber für Jasmin die einzige Chance, ihr extremes Gewicht in den Griff zu bekommen.

Jasmins Gewichtsproblem begann im Alter von neun Jahren. „Damals habe ich heimlich gegessen und wurde allmählich moppelig“, erzählt die aufgeschlossene Jugendliche. „Meine Mutter hat nichts gemerkt. Erst mit elf Jahren schickte mich der Arzt in eine Kinderklinik, und die entdeckten dann meine Essstörung“. Es folgten verschiedene Therapieversuche und ambulante psychologische Betreuung. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Bei einem stationären Klinikaufenthalt 2007 nahm Jasmin nicht ab, sondern zu - in sieben Wochen um 5 kg. Bei einer weiteren stationären Therapie 2010 zeigte die Waage nach sechs Monaten sogar 10 kg mehr. Jasmin erinnert sich: „So ab 2010 wurde es richtig schlimm. Ich hatte Fressanfälle, bei denen ich auf einem Mal so viel gegessen habe, wie ich normalerweise für eine Woche brauchen sollte.“ Diese Anfälle gab es mehrmals pro Woche. Auslöser waren Stress in der Familie, Ärger mit Freunden oder auch schulische Probleme. Bei solchen Anfällen aß Jasmin z.B. einen ganzen Laib Brot mit Wurst, Käse und Butter, dann noch 500 g Nudeln, eine Tafel Schokolade, zwei oder drei Joghurts und noch eine Tüte Chips. Im Sommer 2013 schaffte sie ihre Mittlere Reife, und die Frage der Berufsausbildung stand an. Hotelfachfrau oder Krankenschwester wollte sie werden. „Der Amtsarzt meinte, ich könnte das mit meinem Übergewicht nicht schaffen und müsste mir was anderes überlegen“, sagt Jasmin. Das Jugendamt gab ihr den Tipp, sich an das CJD Berchtesgaden zu wenden. In der Rehabilitationseinrichtung des Christlichen Jugenddorfwerkes Deutschlands werden chronisch kranke Kinder, Jugendliche und junge Erwachse betreut – darunter auch Adipöse. Erst hier bekam Jasmin von den Ärzten eine klare Ansage: Entweder sie nimmt ab, oder sie bekommt auch noch Diabetes und orthopädische Beschwerden. Ihre Insulinwerte waren so schlecht, dass akut ein Diabetes Typ II drohte. Jasmin erkennt jetzt, dass sie so nicht weitermachen kann. In der Einrichtung macht sie nicht nur ihre Berufsausbildung, sie bekommt auch die nötige Hilfe, um umzusteuern. Pädagogen, Ernährungsberater, Sporttherapeuten, Ärzte und Psychologen betreuen sie und helfen ihr, „normales“ Essen zu lernen und mit viel Bewegung und Sport die überzähligen Pfunde abzubauen. Die Berufsausbildung verläuft wie in einem normalen Ausbildungsbetrieb. „Die Arbeitsatmosphäre ist sehr gut. Die Ausbilder geben sich viel Mühe und üben mit mir den Berufsschulstoff, den ich nicht ganz verstehe“, berichtet Jasmin. Einmal pro Woche besucht sie die Berufsschule, die übrige Zeit lernt sie in den verschiedenen Büroabteilungen.

Jasmins Bilanz ist rundum positiv: Sie hat in zwei Monaten um 7,5 kg auf 90 kg abgenommen, die Leberwerte haben sich verbessert, sie fühlt sich viel besser, und allmählich kommt sogar auch das Sättigungsgefühl beim Essen, das sie jahrelang gar nicht kannte. Ihr Tipp für adipöse Jugendliche in einer ähnlichen Situation wie sie: „Man muss ehrlich gegen sich selbst sein und sich eingestehen, dass man eine Essstörung hat, und dann muss man sich vor allem professionelle Hilfe holen“.